Thailändische Süßspeisen: Typen, Zutaten und traditionelle Zubereitung
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Das Universum der khanom wan verstehen
Die thailändische Dessertkultur bildet ein eigenes Universum innerhalb der kulinarischen Landschaft des Landes. Traditionelle Süßspeisen basieren nicht auf Milchprodukten, da diese historisch kaum verwendet wurden. Auch tierische Gelatine findet man nicht, sie wurde in Thailand seit jeher durch Agar-Agar ersetzt. Ebenso unterscheiden sich die Zubereitungstechniken deutlich. Das Dämpfen dominiert, ergänzt durch das Garen in Zuckersirup oder Kokosmilch, und fast keine der klassischen Methoden der westlichen Pâtisserie wie Hefeteige oder Blätterteig spielt eine Rolle.
Diese Besonderheiten lassen sich durch die kulinarische Geschichte des Landes und durch die seit Langem verfügbaren Zutaten erklären. Kokosmilch, Reis- oder Tapiokamehl, aromatische Pflanzen, natürlich süße Wurzeln und tropische Früchte bilden die Grundlage vieler Zubereitungen. Daraus entstehen Süßspeisen mit sehr vielfältigen Texturen, überwiegend pflanzlich und zum großen Teil vegan oder zumindest streng vegetarisch.
Thailändische Süßspeisen tragen sogar einen eigenen Namen: khanom wan, wörtlich "Süßes". Sie werden nicht als strukturierter Nachtisch am Ende einer Mahlzeit gedacht, sondern als kleine Snacks für jede Tageszeit. In alltäglichen Restaurants begegnet man ihnen selten, da herzhafte Gerichte im Mittelpunkt stehen. Auf Märkten, an spezialisierten Ständen und in einigen Fachgeschäften sind sie hingegen allgegenwärtig. Diese soziale und räumliche Verortung erklärt ihre relative Unbekanntheit außerhalb Thailands.
Dieser Artikel stellt die Grundlagen thailändischer Süßspeisen vor. Er erläutert die wichtigsten Zutaten, die traditionellen Techniken und die großen Familien thailändischer Desserts. Zunächst betrachten wir die zentralen Elemente dieser süßen Küche, bevor wir die wichtigsten Kategorien vorstellen, von kokosbasierten Puddings bis zu Süßspeisen portugiesischen Ursprungs. Anschließend analysieren wir die gängigen Zubereitungsmethoden und die Rolle, die diese Süßspeisen im thailändischen Alltag einnehmen.
Die prägenden Zutaten thailändischer Süßspeisen
Dieser Abschnitt erläutert die technischen und aromatischen Grundlagen der khanom wan, so wie sie in der heutigen thailändischen Küche verwendet werden.
Die Kokosnuss als zentrales Element
Die Kokosnuss tritt in mehreren komplementären Formen auf: Kokosmilch, geraspeltes Fruchtfleisch und feine Streifen der jungen Kokosnuss. Kokosmilch erscheint entweder als dicke Creme für Puddings und Überzüge oder als leichtere Milch für süße Suppen und aromatisierte Sirupe. Geraspelte Kokosnuss dient als Basis vieler gedämpfter Kuchen oder als Füllung, während die zarten Streifen der jungen Kokosnuss weiche Texturen in Gelees und kalten Desserts erzeugen. Zusammen bilden diese drei Formen das Fundament eines Großteils der thailändischen Süßspeisen.
In Zubereitungen wie Bananen in Kokosmilch oder Klebreisbällchen nach Art von bua loy kombiniert man häufig eine reichhaltige Creme (hua kati) mit einer leichteren Milch (hang kati), gelegentlich mit Pandanus aromatisiert.
Agar-Agar
Agar-Agar, auf Thai wun, wird aus Rotalgen gewonnen und liegt meist in Pulverform vor. Es geliert Flüssigkeiten schnell, mit einer festeren Struktur als tierische Gelatine und hoher Temperaturstabilität.
Es wird für klare Gelees oder Kokosgelee verwendet, oft in farbigen Schichten. Man findet es in Fruchtgelee, Gelee mit junger Kokosnuss und verschiedenen Formen, die nach dem Erstarren gestürzt und gehandhabt werden können, ohne ihre Struktur zu verlieren. In der Praxis wird Agar-Agar vollständig aufgekocht, um eine homogene Gelierung zu gewährleisten, und die Dosierung muss präzise erfolgen, um eine zu harte Konsistenz zu vermeiden.
Lokale Mehle und Stärkearten
Thailändische Desserts nutzen verschiedene Mehle und Stärkearten, die vor allem die Textur bestimmen.
Reismehl, oft mit anderen Stärken kombiniert, erzeugt weiche, leicht elastische Teige. Tapiokastärke, gewonnen aus Maniok, sorgt für eine transparente und sehr elastische Struktur, typisch für Schichtkuchen und bestimmte Bällchen. Auch Klebreismehl, Mungbohnenmehl oder andere lokale Stärkearten werden verwendet und je nach Verfügbarkeit kombiniert, um gelartige und dennoch zarte Konsistenzen zu erreichen.
Bei Desserts wie khanom chan beeinflusst das Verhältnis zwischen Reismehl und Tapioka die Balance zwischen Festigkeit, Elastizität und Zartheit.
Von Natur aus süße Wurzeln und Gemüse
Mehrere Wurzeln, Gemüse und Hülsenfrüchte bilden die Grundlage vieler Süßspeisen, entweder püriert oder in Sirup oder Kokosmilch gegart.
Taro, Süßkartoffeln, Kürbis, Mais und Maniok werden häufig weich gekocht und gesüßt, einzeln oder kombiniert, teils mit Pandanus aromatisiert. Sie können in Stücken in Sirup oder Kokoscreme serviert oder zu einer Masse verarbeitet werden, die gedämpft oder frittiert wird. Kürbis dient entweder als Fruchtfleisch oder als Behälter für eine gedämpfte Kokoscreme. Schwarze Bohnen und Mungbohnen, manchmal mit Klebreis kombiniert, erzeugen eine dichte, natürliche Süße.
Diese Zutaten bringen eine natürliche Süße und eine leicht mehlige oder feste Textur mit sich, ganz anders als milchbasierte Cremes. Sie ermöglichen zudem eine natürliche Farbpalette von Weiß bis Violett und Orange.
Tropische Früchte
Tropische Früchte stehen im Zentrum vieler Desserts, roh oder verarbeitet.
Reife Mango, Banane, Durian, Kokosnuss und Jackfrucht treten als Hauptelement oder als Beilage zu Klebreis, Kokosmilch oder Sirup auf. Manche Früchte wie Banane, Taro oder Maniok werden in Sirup confiert und anschließend mit Kokosmilch serviert. Junge Kokosnuss in Streifen wird in Gelees oder süßen Suppen eingesetzt, um zusätzliche Textur zu schaffen.
Blüten und aromatische Pflanzen
Thailändische Süßspeisen nutzen mehrere aromatische Pflanzen, insbesondere Pandanus. Die Blätter werden verknotet und in Kokosmilch oder Sirup ausgekocht, wodurch ein klar erkennbares Pflanzenaroma entsteht. Jasminblüten, frisch oder als aromatisiertes Wasser, werden gezielt zur Parfümierung bestimmter kalter Sirupe oder gedämpfter Massen eingesetzt.
Pandanus liefert zudem eine charakteristische grüne Farbe, gewonnen durch Aufguss oder Saft. Clitoria ternatea erzeugt ein intensives Blau oder leichtes Violett, abhängig vom pH-Wert. Roselle sorgt für rote oder rosafarbene Töne. Diese Farbstoffe werden in Teige, Sirupe oder Gelees eingearbeitet.
All diese Pflanzen ermöglichen es, Desserts zu aromatisieren und zu färben, ohne künstliche Essenzen oder Farbstoffe zu verwenden.
Die wichtigsten Familien thailändischer Desserts
Die Vielfalt der thailändischen Süßspeisen ist beträchtlich, und eine vollständig erschöpfende Klassifikation wäre kaum möglich. Die folgende Typologie bietet jedoch einen ersten Orientierungsrahmen. Sie verdeutlicht die Zutaten und Techniken, die die khanom wan strukturieren, und ordnet die gängigsten Desserts in klar erkennbare Gruppen ein.
Desserts auf Kokosbasis
Die Kokosnuss bildet das Zentrum zahlreicher Süßspeisen, sei es in Form von Kokoscreme, Kokosmilch, geraspeltem Fruchtfleisch oder feinen Streifen junger Kokosnuss. Dieses Prinzip findet sich in Puddings wie khanom thuai, in Kokoscremes und Kokosgelee sowie in geformten Zubereitungen wie takoh. Einige süße Suppen basieren auf leichter Kokosmilch, in die Klebreisbällchen wie bua loy gegeben werden.
Agar-Agar-Gelees
Gelees aus Agar-Agar bilden eine eigenständige Gruppe mit ihrer festen und stabilen Konsistenz. Sie erscheinen als klare Gelees, als Kokosgelee oder in Kombination mit frischen Früchten wie junger Kokosnuss in wun maprao on oder Mango in wun mamuang. Farbige Varianten mit Pandanus oder Blütenaromen gehören ebenfalls zu den gängigen Formen.
Desserts auf Klebreisbasis
Klebreis ist wesentlicher Bestandteil mehrerer ikonischer Süßspeisen. Am bekanntesten ist Klebreis mit Mango, doch Klebreis kann auch in Bambus gegart werden, wie bei khao lam, oder mit reifer Banane in ein Bananenblatt gewickelt und gedämpft werden, wie bei khao tom mad. Diese Desserts nutzen die klebrige Textur des Reises und kombinieren sie mit Früchten oder Kokoscreme.
Desserts aus lokalen Mehlen und Stärkearten
Diese Kategorie umfasst Kuchen und Süßspeisen auf Basis von Reismehl, Tapioka oder anderen lokalen Stärkearten. Khanom chan veranschaulicht diese Gruppe besonders gut, mit seinen geschichteten Ebenen und der elastischen Struktur. Weitere Beispiele wie piak poon oder thuai fu basieren auf gedämpften Teigen, deren Konsistenz sich je nach Mehlverhältnis verändert.
Desserts aus Gemüse, Wurzeln und Hülsenfrüchten
Wurzeln und Hülsenfrüchte sind in vielen Süßspeisen integriert. Taro, Süßkartoffeln, Maniok oder Kürbis werden in Sirup oder Kokosmilch weich gekocht oder in eine Teigmasse eingearbeitet und anschließend gedämpft oder gebacken. Schwarze Bohnen und Mungbohnen können in Kokoscreme serviert oder mit Klebreis kombiniert werden. Diese Zutaten bringen dichte Texturen und eine natürliche Süße ein.
Desserts auf Basis tropischer Früchte
Tropische Früchte sind in den thailändischen Süßspeisen sehr präsent. Sie werden in Sirup serviert, gedämpft oder mit Kokosmilch kombiniert. Einige Desserts wie Durian in Kokosmilch beruhen vollständig auf der Frucht, während andere Früchte als Garnitur oder zentrales Element in einem größeren Ensemble erscheinen.
Eierbasierte Desserts portugiesischen Ursprungs
Diese Gruppe umfasst die Süßspeisen, die von der portugiesischen Präsenz in Ayutthaya beeinflusst wurden. Sie basieren auf Eigelb, das in Sirup gegart wird, wie foi thong, thong yip oder thong yot. Die Textur, die Farbe und die Zubereitungsmethode unterscheiden diese Desserts deutlich von den überwiegend pflanzlichen thailändischen Süßspeisen.
Frittierte Desserts
Einige Süßspeisen werden frittiert, insbesondere Banane, Süßkartoffel oder Taro. Sie werden meist als Snack statt als Nachtisch im westlichen Sinne gegessen. Der Kontrast zwischen knuspriger Hülle und weicher oder cremiger Mitte macht diese Zubereitungen in Märkten besonders beliebt.
Eis- und Getränkedesserts
Eis- und Getränkedesserts bilden eine eigene Kategorie. Raspelte Eisvarianten mit Sirup und Toppings wie nam khaeng sai oder grüne Nudeln in Kokosmilch wie lod chong sind typische Beispiele. Hausgemachtes Kokoseis ergänzt diese Gruppe, die eher zur Erfrischung als zum Abschluss einer Mahlzeit verzehrt wird.
Traditionelle Zubereitungstechniken
Garen im Dampf
Das Dämpfen gehört zu den häufigsten Techniken der thailändischen Süßspeisen. Es erzeugt weiche, luftige Texturen, wie man sie bei Reiskuchen oder leicht fermentierten Teigen findet. Beispiele sind khanom thuai fu mit seiner leicht aufgegangenen Struktur oder khanom kluai, der aus Banane und Reismehl hergestellt wird. Diese Methode sorgt für gleichmäßiges Garen und erhält die natürliche Farbe der Zutaten, da keine Kruste entsteht.
Garen im Zuckersirup
Das Garen in Zuckersirup ist typisch für die eigelbhaltigen Desserts portugiesischen Ursprungs, wird aber auch bei Süßspeisen aus Wurzelgemüse wie Maniok angewendet. Die Zutaten werden langsam gekocht, bis sie Sirup aufnehmen und eine zart schmelzende Textur entwickeln. Der Sirup kann klar bleiben oder aromatisiert werden, je nachdem, ob er sichtbar serviert oder später mit Kokoscreme kombiniert wird.
Garen in natürlichen Hüllen
Mehrere Süßspeisen werden in pflanzlichen Hüllen gegart, meist in Bananenblättern oder Bambusrohren. Das Bananenblatt hält die Form und verleiht ein sanftes Pflanzenaroma, etwa bei khao tom mad, wo Klebreis eingewickelt und anschließend gedämpft wird. Bambus, wie bei khao lam, ermöglicht ein langsames, gleichmäßiges Garen des Klebreises in einem geschlossenen Behälter, wodurch sich die Aromen konzentrieren.
Agar-Agar-Gelees
Gelees aus Agar-Agar zeichnen sich durch eine feste, klare Struktur aus, die sich von tierischer Gelatine deutlich unterscheidet. Agar-Agar wird kurz aufgekocht, um die Gelierung zu aktivieren, und danach vom Herd genommen, um eine zu harte Konsistenz zu vermeiden. Seine Stabilität bei Raumtemperatur und die Fähigkeit, präzise Formen zu halten, erklären seinen Einsatz in dekorativen Gelees, Fruchtgelee oder Kokosgelee.
Leichtes Frittieren
Einige Süßspeisen werden leicht frittiert und zählen eher zu den süßen Snacks der Märkte. Banane, Süßkartoffel oder Taro werden in Stücke geschnitten, umhüllt und frittiert, bis eine knusprige Hülle entsteht. Der Kontrast zwischen der Kruste und dem weichen Inneren macht diese Zubereitungen besonders beliebt, auch wenn sie im thailändischen Alltag nicht als Dessert im westlichen Sinn gelten.
Süßspeisen mit ausländischem Einfluss und ihre symbolische Bedeutung
Einige thailändische Süßspeisen gehen auf alte kulturelle Kontakte zurück, insbesondere auf portugiesische und chinesische Einflüsse. Diese Rezepte sind seit langem im lokalen kulinarischen Umfeld verankert und spielen bei Feierlichkeiten eine wichtige Rolle, da Form, Farbe und Textur oft symbolische Bedeutungen tragen.
Portugiesischer Einfluss
Der portugiesische Einfluss lässt sich bis ins 17. Jahrhundert nach Ayutthaya zurückverfolgen. Er zeigt sich vor allem in den Eigelbsüßspeisen, etwa foi thong, thong yip oder thong yot, die aus geschlagenem Eigelb bestehen, das in Zuckersirup gegart wird. Obwohl die Methode an portugiesische Desserts jener Zeit erinnert, wurden die thailändischen Varianten an lokale Zuckerarten und traditionelle Zubereitungstechniken angepasst. Die intensiv gelbe Farbe gilt als glücksbringend, weshalb diese Süßspeisen bei Hochzeiten, religiösen Zeremonien und Familientreffen verschenkt werden, um Wünsche nach Langlebigkeit, Wohlstand und Erfolg auszudrücken.
Chinesischer Einfluss
Auch die in Thailand ansässigen chinesischen Gemeinschaften haben mehrere Süßspeisen eingeführt, die beim chinesischen Neujahrsfest unverzichtbar geworden sind. Der Klebreiskuchen kanom kheng symbolisiert familiären Zusammenhalt und Beständigkeit. Kanom thien, eine weitere klebrige Reiskonfektion in Hülle, steht für Wohlstand und gutes Fortüne. Diese Zubereitungen verwenden Techniken, die sich von den klassischen khanom wan unterscheiden, sind jedoch fest in den festlichen Traditionen Thailands verankert. Sie werden in großen Mengen hergestellt, an Familienmitglieder verteilt und im Rahmen der Neujahrsrituale als Opfergaben für die Ahnen dargebracht.
Kontinuität und Integration
Ob portugiesischen oder chinesischen Ursprungs, diese Süßspeisen sind heute vollständig in die thailändischen Traditionen integriert. Sie bestehen neben lokalen Desserts und tragen zur rituellen und symbolischen Dimension vieler Feierlichkeiten bei.
Weiterführende Informationen
Unser Kochbuch zur veganen Küche bietet eine Auswahl an Süßspeisen, die ausschließlich auf pflanzlichen Zutaten basieren.
Auf unserem Blog finden Sie zudem einen eigenen Bereich zu thailändischen Süßspeisen, mit Rezepten, die leicht zugänglich, schnell zuzubereiten und auf alltäglichen Zutaten aufgebaut sind, im Gegensatz zu einigen traditionellen Zubereitungen, die deutlich mehr Zeit erfordern.
Sie können diese Desserts und viele weitere Gerichte auch in unseren Kochkursen auf Koh Samui erlernen.
Dieser Beitrag soll Ihnen einen umfassenden Einstieg in die Welt der thailändischen Süßspeisen geben. Wenn Sie Fragen haben oder bestimmte Aspekte vertiefen möchten, schreiben Sie uns gern oder hinterlassen Sie einen Kommentar unter dem Blogbeitrag. Wir antworten Ihnen immer mit Freude.



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