Thailändische Salate. Familien, Techniken und regionale Unterschiede
- InFusion

- vor 6 Tagen
- 15 Min. Lesezeit

Thailändische Salate. Ein kulinarisches System, geprägt von Techniken und regionalen Traditionen
Thailändische Salate bilden keine einfache Kategorie frischer Gerichte. Sie entsprechen einem klar strukturierten System, in dem Techniken, Zutaten und regionale Gebräuche die Form jeder einzelnen Zubereitung bestimmen. Ihre innere Logik folgt einer Einteilung in deutlich abgegrenzte Familien, die sich durch Aufbau, Aromatik und Zubereitungstechnik unterscheiden.
Die großen Familien der thailändischen Salate
Yam. Das Dressing als zentrales Element
Die yam, ยำ, stellen die größte und flexibelste Familie der thailändischen Salate dar. Alle Varianten beruhen auf einem flüssigen, sehr lebhaften Dressing, aufgebaut aus Limettensaft, Zucker und Fischsoße. In vielen Fällen sind die yam ausgesprochen scharf und verwenden frische Chilischoten, obwohl einige Varianten auch auf geröstete oder getrocknete Chilis zurückgreifen. Gemeinsames Ziel ist ein unmittelbarer aromatischer Eindruck, weniger eine subtile oder langsam aufbauende Aromatik.
Eine strenge Typologie ist kaum möglich, da die Familie sehr breit gefächert ist. Dennoch lassen sich mehrere Gruppen erkennen, entweder anhand ihrer Zusammensetzung oder anhand der Struktur des Dressings.
Tierische yam
Viele yam basieren fast ausschließlich auf tierischen Produkten, ergänzt durch frische Kräuter, einige Aromaten und ein kräftiges Dressing. Beispiele sind yam khai khem, ein Salat aus gesalzenen Enteneiern, yam kun chiang mit chinesischer Wurst oder yam plamuek, ein Calamarsalat. Diese Rezepte betonen vorrangig die Proteinbasis, während Kräuter als aromatischer Gegenpunkt dienen. Komplexität steht hier nicht im Vordergrund.
Grüne-Mango-yam
Die Salate aus grüner Mango bilden eine wichtige Untergruppe. Die meisten gehören zur Familie der yam, auch wenn einige gestampfte Versionen bereits in die Kategorie der tam fallen. Häufig kombiniert man grüne Mango mit Garnelen in verschiedenen Formen: frisch, getrocknet oder als fermentierte Garnelenpaste. Entscheidend ist die Verbindung zwischen der natürlichen Säure der jungen Mango und dem kräftigen Dressing. Die knackige Textur der Mango wird ebenfalls hoch geschätzt.
Vegetarisch geprägte yam
Weniger verbreitet sind die vegetarisch geprägten yam, die vor allem im Norden Thailands anzutreffen sind. Viele davon sind außerhalb ihrer Herkunftsregion nahezu unbekannt. Beispiele sind yam phak kat jo, ein Senfkohlsalat, oder yam bai cha, ein Salat aus Teeblättern. Im Süden findet sich zudem yam sarai, ein Algensalat. Diese yam sind nicht zwingend vegetarisch, da das Dressing in der Regel Fischsoße enthält. Einige seltene Ausnahmen aus dem Norden werden lediglich mit Salz gewürzt.
Ungewöhnliche Dressings innerhalb der yam-Familie
Während die meisten yam auf dem Dreiklang Limette, Zucker und Fischsoße beruhen, gibt es auch Varianten, die davon abweichen. Einige nutzen geröstete Chili-Paste, typisch für die Familie der phla, zum Beispiel der klassische Pomelosalat yam som o. Andere setzen fermentierte Garnelenpaste ein, wie der Santol-Salat yam kraton, oder kombinieren grüne Mango mit Kokosmilch, yam mamuang kati, eine typische Zubereitung aus Südthailand.
Fokus. Zwei emblematische yam
Yam Wun Sen
Yam wun sen gehört zu den beliebtesten Salaten des Landes. Glasnudeln, Garnelen und gehacktes Schweinefleisch werden mit einem intensiv sauren und scharfen Dressing vermengt. Es existieren verschiedene Varianten, mit oder ohne Fleisch, einzig mit Garnelen oder als Meeresfrüchtemischung. Dieser Salat zeigt exemplarisch die Struktur der yam: flüssiges Dressing, schnelle Schärfe durch frische Chilis, ausgewogene Kräutermenge und Kontraste in der Textur.
Yam Som O
Yam som o ist sowohl populär als auch technisch interessant. Das Dressing unterscheidet sich deutlich von den klassischen yam: es basiert auf gerösteter Chili-Paste, die süß, salzig und leicht säuerlich schmeckt, sowie auf Kokosmilch, die natürliche Süße mitbringt. Der Pomelo ist weniger sauer als grüne Mango oder junge Papaya, weshalb die Balance zwischen Schärfe, Süße und Salz eine andere ist und der Einsatz von Fischsoße und Limettensaft nur ergänzend erfolgt.
Tam. Zerstoßene Salate
Die Familie der tam, ตำ, nimmt in der thailändischen Küche eine besondere Stellung ein. Der Begriff tam bedeutet « zerstoßen » und beschreibt die Technik, während som tam wörtlich « sauer und zerstoßen » bedeutet, also auf den berühmten grünen Papayasalat verweist, der im ganzen Land bekannt ist. Im weiteren Sinn bezeichnet som tam zwar genau diesen Salat, doch die Familie der zerstoßenen Salate ist wesentlich breiter und vor allem im Norden und Nordosten Thailands verankert.
Kennzeichnend für die tam ist nicht nur der Gebrauch des Mörsers, sondern vor allem die Art, wie diese Technik Textur, Dressing und Schärfewahrnehmung beeinflusst. Grundsätzlich existieren zwei Vorgehensweisen: entweder werden die Hauptzutaten selbst im Mörser zerstoßen, oder nur das Dressing wird dort zerstoßen. Beide Methoden kommen bei unterschiedlichen Zutaten zum Einsatz.
Tam, bei denen die Zutaten zerstoßen werden
Die bekanntesten Vertreter dieser Gruppe verwenden junge Früchte oder Gemüse mit fester Struktur, die beim behutsamen Zerstoßen im Mörser weicher werden, Saft freigeben und das Dressing besser aufnehmen können. Dies gilt für som tam aus grüner Papaya, für zerstoßene Salate aus grüner Mango, aber auch für weniger bekannte Varianten wie Santol- oder Jackfruchtsalate. Die Technik besteht darin, die Zutaten vorsichtig im Mörser zu zerstoßen und mit dem Löffel zu wenden, um die Fasern zu biegen, ohne sie zu zerdrücken. Ziel ist es, eine Textur zu erreichen, die das Dressing absorbiert, ohne ihre Struktur zu verlieren.
In solchen Rezepten wirkt das Zerstoßen direkt auf die Mundtextur: die Zutaten werden geschmeidiger, saftiger und verbinden sich harmonischer mit dem Dressing.
Tam, bei denen nur das Dressing zerstoßen wird
Andere tam greifen die Hauptzutaten kaum an. Hier werden vor allem Chilis, Knoblauch und Gewürze im Mörser zerstoßen, um eine aromatische Paste zu gewinnen, die später mit den flüssigen Bestandteilen des Dressings vermischt wird. Dieses Vorgehen ist typisch für Obstsalate wie tam ponlamai oder für Salate aus empfindlichen Zutaten, deren Struktur erhalten bleiben soll, etwa Gurkensalat (tam tengkwa).
In diesem Fall erhält das Zerstoßen der Chilis eine besondere Funktion: Es verteilt die Schärfe gleichmäßig, was zu einem intensiveren und homogeneren Geschmacksprofil führt.
Flüssiges Isan-Dressing vs. dichte Würzpasten des Nordens
Die tam aus dem Isan basieren auf einem flüssigen Dressing, ähnlich wie die yam: Fischsoße, Limettensaft, Tamarinde, Zucker. Der große Unterschied liegt im Einsatz fermentierter Zutaten, die den Geschmack stark prägen.
Die emblematischste Zutat ist pla ra, eine fermentierte Fischsoße aus Süßwasserfischen, die mit geröstetem Reis oder Reiskleie fermentiert wird. Sie ist dickflüssig, dunkel und sehr aromatisch. Häufig werden auch fermentierte Reisfeldkrabben im Mörser zerstoßen, deren Saft eine intensive, jodige Salzigkeit einbringt. Das Ergebnis ist ein kraftvolles, fermentiertes Geschmacksbild, das es in den yam nicht gibt.
Im Norden werden ebenfalls fermentierte Zutaten verwendet, jedoch mit einer völlig anderen Ausrichtung. Dort sind die Dressings weniger flüssig, weniger säurebetont und basieren auf komplexen, dichten Aromen. Die zentrale Zutat ist nam pu, eine lange gekochte Paste aus fermentierten Reisfeldkrabben. Sie ist kompakt, salzig und besitzt einen tiefen, erdigen Charakter, der sich stark von der Aromatik des Isan unterscheidet.
So entstehen zwei vollkommen verschiedene Welten:
im Isan flüssig, sauer-salzig-süß und stark fermentiert,
im Norden dicht, rustikal und betont salzig.
Fokus. Der grüne Papayasalat som tam
Der som tam bildet eine eigene Unterfamilie innerhalb der zerstoßenen Salate. Es existieren zahlreiche Varianten, sowohl im Dressing, klassische Fischsoße oder fermentierte Varianten, Limettensaft allein oder kombiniert mit Tamarinde, als auch in den Zutaten: fermentierte Reisfeldkrabben, getrocknete oder frische Garnelen, gesalzene Enteneier oder rohe Blaukrabben, die besonders im Süden beliebt sind. Diese letztere Zubereitung weist Parallelen zur Familie der koi auf, die im Isan die Kultur des Rohverzehrs repräsentieren.
Diese Vielfalt rechtfertigt einen eigenen Artikel, der die wichtigsten Varianten und ihre kulinarische Logik darstellt. Auf unserem Blog finden Sie bereits die klassische Version des grünen Papayasalats mit getrockneten Garnelen.
Wer mehr über die Besonderheiten der Küche des Isan erfahren möchte, findet in unserem ausführlichen Artikel « Küche des Isan: Von der Geschichte zum Geschmack, Gerichte die den Nordosten erzählen » eine detaillierte Einführung.
Larb. Die gehackten Salate
Die larb, ลาบ, bilden eine Familie gehackter Salate, die für den Norden und Nordosten Thailands charakteristisch ist. Gemeinsam ist ihnen, dass die Zutaten fast immer fein gehackt oder in kleine Stücke geschnitten werden. In allen anderen Aspekten unterscheiden sich die Traditionen der beiden Regionen jedoch so stark, dass es sinnvoller ist, von zwei parallelen Familien zu sprechen statt von einem einheitlichen Ganzen.
Gemeinsame Merkmale der larb
Die larb basieren fast ausschliesslich auf tierischen Proteinen, auch wenn es einige vegetarische Ausnahmen gibt, etwa larb aus Pilzen oder aus Bananenblüten. Gemüse, sofern vorhanden, wird separat serviert, zum Beispiel Gurke, Schlangenbohnen oder Chinakohl, und nicht unter die Salatmischung gehoben.
Allen Versionen gemeinsam ist eine ausgeprägte Kultur des Hackens: Fleisch oder Fisch werden gehackt oder in sehr kleine Stücke geschnitten, häufig kombiniert mit festeren Bestandteilen wie Schwarte, Leber oder anderen Innereien. Diese kompakte Struktur unterscheidet die larb deutlich von den yam, die auf vielfältigeren Zutaten und flüssigen Dressings beruhen.
Die larb des Isan. Salzig, scharf und geprägt vom gerösteten Klebreis
Die larb des Isan, heute die verbreitetste Form sowohl in Thailand als auch im Ausland, können aus Schwein, Huhn, Ente, Rind oder Fisch zubereitet werden. Manche Rezepte kombinieren mehrere Elemente, etwa gehacktes Schweinefleisch, Schwarte und Leber.
Das Dressing ist salzig-scharf, mit einer nur moderaten Säure: Fischsoße, etwas Zucker und eine kontrollierte Menge Limettensaft. Die Schärfe stammt fast ausschliesslich von Chiliflocken, teilweise ergänzt durch geröstete getrocknete Chilis. Im Gegensatz zu yam oder tam sind frische Chilis hier selten.
Ein einzigartiges Element, das in keiner anderen Salatfamilie vorkommt, ist gerösteter Klebreis, khao kua. Rohes Klebreiskorn wird trocken geröstet, bis es goldbraun ist, und anschliessend grob zerstoßen. Es erfüllt zwei Funktionen: eine körnige Textur, die sich an das Fleisch heftet, und eine geröstete Aromatik, die für die Isan-Küche typisch ist. Der Link zur entsprechenden Zubereitung erscheint am Ende des Artikels.
In Bezug auf die Garstufe existiert eine grosse Bandbreite: rohe larb, halb rohe Varianten, kurz pochierte Zubereitungen oder länger gegarte Versionen. Gekochte larb können sogar zu Bällchen geformt, gegrillt oder frittiert werden, ohne ihre Identität zu verlieren.
Die larb des Nordens. Eine völlig andere Logik
Die larb des Nordens haben mit jenen des Isan kaum mehr gemeinsam als das Hacken. Ihre Basis ist ein Gewürzgemisch, prik laap, dessen Zusammensetzung je nach Koch stark variiert. Typische Bestandteile sind Cayennechilis, Koriandersamen, Zanthoxylum limonella, ausserdem Kreuzkümmel, Fenchel, Macis, Sternanis, Kardamom, Nelken oder Zimt in sehr unterschiedlichen Proportionen.
Die traditionellsten Zubereitungen zeigen einen zentralen kulturellen Aspekt: die Kultur des Rohverzehrs. Es gibt vollständig rohe larb, larb "mit Blut", bei denen Schweine- oder Rinderblut untergemischt wird, sowie kurz gegarte Varianten, bei denen Blut enthalten sein kann oder nicht.
Einige nördliche larb kombinieren gehacktes Schweinefleisch, Blut, Schwarte, Leber, Därme, aromatische Kräuter wie vietnamesische Minze, Koriander und junge Zwiebeln, dazu frittierten Knoblauch, frittierte Schalotten und geröstete getrocknete Chilis. Das Ergebnis ist ein dichter, aromatisch intensiver Salat, der an ein trockenes Ragout erinnert und kaum Säure besitzt.
Im Norden verwendet man weder gerösteten Klebreis noch die typisch sauer-salzig-süßen Dressings des Isan. Diese larb sind salzig, würzig und kräuterbetont, und ihre Identität beruht vollständig auf der Gewürzpaste und, in den rohen oder halb rohen Versionen, auf der Textur des Fleisches.
Zwei Kulturen des Rohverzehrs
Wie bei den tam eröffnet auch die Familie der larb einen Blick auf die Rohkosttradition Nordthailands und des Isan. Rohe oder blutbasierte larb stehen in Verbindung mit dem rohen Blaukrabben-Papayasalat des Südens oder mit den koi, einer weiteren Familie roher Salate im Isan. Diese rohe Dimension ist ein zentrales kulturelles Merkmal, das die larb deutlich von den yam und teilweise auch von den tam unterscheidet.
Fokus. Larb moo, das isanesische Modell
Larb moo, ein leicht gegartes Schweine-larb, ist eine der repräsentativsten Zubereitungen dieser Salatfamilie. Das Fleisch wird kurz pochiert und dann mit einem salzig-scharfen Dressing aus Fischsoße, Chiliflocken und etwas Limettensaft vermengt. Der zerstoßene geröstete Klebreis bindet das Aroma und verleiht die charakteristische geröstete Note dieser Familie.
Dieses Rezept ist auf unserem Blog bereits ausführlich vorgestellt. Ein spezieller Artikel wird demnächst die wichtigsten regionalen Varianten der thailändischen larb zusammenführen und ihre kulinarischen Unterschiede systematisch darstellen.
Phla und Koi. Rohe oder halb rohe Salate
Die phla, พล่า, und die koi, ก้อย, bilden eine Gruppe roher oder halb roher Salate, deren kulinarische Logiken jedoch deutlich voneinander abweichen. Sie nehmen einen besonderen Platz in der thailändischen Gastronomie ein, in der minimale Garung und frische Aromatik eine zentrale Rolle spielen.
Phla. Kräuterbetonte Salate
Die phla zeichnen sich durch eine außergewöhnlich große Menge an Kräutern aus: fein geschnittene Zitronengrasstängel, Minze, langblättriger Koriander, Koriander und Frühlingszwiebeln. Diese dichte Kräuterschicht unterscheidet die phla klar von den yam, bei denen solche Kräutermengen nicht typisch sind.
Die Garung ist auf das Mindestmaß reduziert. Manche Rezepte verwenden kurz in Öl gebratene Meeresfrüchte, zum Beispiel leicht bemehlte und schnell angebratene Calamari, die anschliessend mit den Kräutern vermengt werden. Andere basieren auf rosa gegrilltem Fleisch, das dünn aufgeschnitten und lediglich mit dem Dressing vermischt wird. Wieder andere bereiten Garnelen oder Flusskrebse so zu, dass sie allein durch Limettensaft leicht "gegart" werden und dadurch teilweise opak werden, ohne tatsächlich erhitzt zu sein.
Das Dressing ist frisch, sauer-salzig-süß und wird gelegentlich mit gerösteter Chili-Paste ergänzt. Die Proteine werden geschnitten, niemals gehackt, was die phla sowohl von den yam als auch von den larb abgrenzt.
Koi. Die rohen Salate des Isan
Die koi stehen für eine der direktesten Ausdrucksformen der Rohkostkultur im Isan. Die Proteine sind immer roh, fein gehackt oder sehr dünn geschnitten und werden mit einem flüssigen Dressing aus Fischsoße, Limettensaft, Zucker und Chiliflocken vermischt.
Ein zentrales Element ist zerstoßener gerösteter Klebreis, der überschüssige Feuchtigkeit bindet, Aromen fixiert und eine leichte Röstaromatik verleiht. Dieser technische Marker verbindet die koi mit den larb des Isan, während er in den phla nie vorkommt.
Traditionelle Beispiele zeigen die Vielfalt der Familie:
koi kung mit fein gehackten rohen Garnelen, leicht gewürzt und mit wenigen Kräutern kombiniert;
koi khai mot deng, zubereitet aus den Eiern roter Weberameisen, die eine besonders zarte Textur bieten;
Varianten aus Süßwasserfisch, rohem Rind oder rohem Schwein, stets mit Chili und geröstetem Klebreis strukturiert.
Die koi verwenden weniger Kräuter als die phla, basieren jedoch auf einer sehr ausgeprägten Aromatik, deren zentrale Signatur die Rohheit selbst ist.
Zwei ästhetische Formen des Rohverzehrs
Gemeinsam spiegeln phla und koi zwei unterschiedliche Zugänge zum Rohverzehr in der thailändischen Küche:
eine halb rohe Ästhetik, dominiert von Kräutern, wie bei den phla
eine komplett rohe Ästhetik, geprägt durch Hacken und gerösteten Klebreis, wie bei den koi
Diese Differenz erklärt, weshalb diese beiden Familien zwar oft unter dem Sammelbegriff "rohe oder halb rohe Salate" zusammengefasst werden, tatsächlich aber eigenständige kulinarische Identitäten besitzen.
Fokus. Phla neua yang, der gegrillte Rindfleischsalat mit Zitronengras
Phla neua yang zeigt die Logik der phla in ihrer reinsten Form. Das Fleisch wird lediglich gegrillt, innen noch rosa, dann dünn aufgeschnitten und mit einer aromatischen Mischung aus Zitronengras, Schalotten, Minze und langblättrigem Koriander vermengt. Das Dressing bleibt lebhaft und ausgewogen, strukturiert von Fischsoße, Limettensaft und einem Hauch Zucker, gelegentlich ergänzt um geröstete Chili-Paste. Das vollständige Rezept finden Sie bereits auf unserem Blog.
Sa. Pflanzliche Salate mit Chili-Paste
Die sa, ส้า, bilden eine eigenständige Salatfamilie des Nordens Thailands. Ihre Struktur basiert auf einer zerstoßenen und anschließend kurz angebratenen Chili-Paste, die sie von allen anderen thailändischen Salatarten unterscheidet. Diese Paste, hergestellt aus getrockneten Chilis, Zitronengras, Galgant, Knoblauch, Schalotten und fermentierten Komponenten wie Garnelenpaste oder fermentierter Fischsoße, bildet das aromatische Fundament der sa. Sie ersetzt das flüssige Dressing der yam oder tam und verankert diese Salate in einer klar regionalen Identität.
Ein spezifischer Umgang mit Chili, einzigartig in Thailand
Der Einsatz von Chili folgt bei den sa zwei deutlich getrennten Schritten:
Erstens werden die getrockneten Chilis trocken geröstet oder über der Flamme gegrillt, um ihr Aroma zu intensivieren. Dieser Schritt erfolgt ohne Öl und gehört zu den traditionellen Techniken vieler nordthailändischer Köche.
Anschließend wird die fertige Paste in wenig Öl kurz angebraten. Sobald die Zutaten im Mörser zu einer Paste verarbeitet sind, werden sie in einer kleinen Menge Öl erhitzt, um die Aromen freizusetzen. Dieser Vorgang ist stets kurz und hat nichts mit tiefem Frittieren zu tun. Er verleiht der Paste eine rundere, leicht karamellisierte Note.
Diese beiden Schritte, Rösten der Chilis, dann kurzes Anbraten der Paste, erzeugen ein dichtes, direktes Aromaprofil, nahezu ohne die säurebetonten Elemente anderer Salatfamilien. In einigen Rezepten wird natürliche Säure eingebracht, etwa durch junge Tamarindenblätter, doch bleibt sie im Vergleich zur Grundlogik der sa marginal.
Eine pflanzliche Dominanz, selten in der thailändischen Küche
Die sa unterscheiden sich außerdem durch ihre überwiegend pflanzliche Zusammensetzung. Während viele thailändische Salate auf Fleisch oder Meeresfrüchten basieren, stehen bei den sa wild gesammelte oder saisonale Pflanzen im Mittelpunkt.
Typische Beispiele sind: sa yot makham aus jungen Tamarindenblättern, sa pli aus handzerdrückter Bananenblüte, sa makhuea chae aus Bitterauberginen, gelegentlich mit etwas Schweinefleisch, sa phak ruam, eine Mischung wilder junger Triebe, sa yot mamuang aus jungen Mangoblättern.
Dies sind einige der wenigen echten pflanzlichen Salate im thailändischen Repertoire, neben einigen sehr lokalen yam des Nordens.
Es existieren auch Fleischvarianten wie sa chin, zubereitet mit frischem Rind- oder Büffelfleisch und gelegentlich mit gekochten Innereien. Doch selbst in diesen Versionen bleibt die Chili-Paste das technische Zentrum des Gerichts.
Eine dichte, geknetete Textur als Markenzeichen des Nordens
Die sa besitzen eine halb trockene, fast pastenartige Textur, die durch das Einkneten der angebratenen Chili-Paste mit Kräutern, Aromaten und der Hauptzutat entsteht. Bei pflanzlichen Varianten werden bestimmte Komponenten, beispielsweise Bananenblüte, von Hand zerdrückt, damit sich die Fasern öffnen und die Paste gleichmäßig aufgenommen wird.
Das Ergebnis sind Salate, die sich deutlich von den flüssigen yam oder den gehackten larb unterscheiden. Die sa folgen einer eigenen kulinarischen Logik, geprägt von einer zerstoßenen und angebratenen Chili-Paste, einer ausgeprägten Pflanzlichkeit, deutlicher Salzigkeit, direkter Aromaintensität und nahezu vollständiger Abwesenheit von Säure. Die Küche des Nordens unterscheidet sich stark vom Rest des Landes, und die Familie der sa ist eine ihrer charakteristischsten Ausdrucksformen.
Wer mehr über diese besondere Region Thailands erfahren möchte, findet in unserem Artikel "Nordthailändische Küche: Zwischen Bergen, Tee und Traditionen" umfangreiche Informationen.
Fokus. Sa yot makham, der Tamarindenblätter-Tomaten-Salat
Sa yot makham zeigt exemplarisch die Logik der nordthailändischen sa: eine zerstoßene und leicht angebratene Chili-Paste, vermengt mit gehacktem Schweinefleisch und anschliessend mit frischem Gemüse kombiniert. Die jungen Tamarindenblätter bringen eine feine natürliche Säure, während Tomaten, im übrigen Thailand selten, eine regionale Besonderheit des Nordens darstellen. Das vollständige Rezept finden Sie bereits auf unserem Blog.
Fließende Kategorien
Einige thailändische Gerichte greifen Techniken oder Prinzipien der Salatzubereitung auf, gehören jedoch zu völlig anderen kulinarischen Bereichen. Ihre Einordnung hängt daher stärker vom kulturellen Kontext ab als von einer rein technischen Definition.
Reis-, Nudel- und hybride Getreidegerichte
Khao yam nam budu
Ein südthailändisches Reisgericht, das dennoch klar eine Salatstruktur aufweist: rohe Kräuter, Zitrusschalen, knackiges Gemüse und ein intensives Dressing auf Basis von nam budu. Trotz Reis als Hauptzutat ähnelt es stark einem zusammengesetzten Salat.
Khanom chin sao nam
Ein Gericht aus dem Zentralthailand, bestehend aus kalten Reisnudeln mit Kokosmilch, Ananas, frischem Gemüse und würzenden Beilagen. In seiner Struktur entspricht es eindeutig einem Nudelsalat, obwohl es technisch zu den khanom chin-Gerichten zählt. Entscheidend ist das unmittelbare Vermengen aller frischen Komponenten beim Servieren.
Nem khluk
Zerbröselte, gegrillte Reisbällchen werden mit Aromaten, Kräutern und einem kräftigen, lebhaften Dressing vermengt. Die Textur und Aromatik erinnern an yam, doch die Grundlage, gebratener, zusammenhaftender Reis, macht es zu einem schwer einzuordnenden Hybridgericht.
Snacks mit Salatstruktur
Miang kham
Ein in Blättern servierter Snack, der Kräuter, Zitrusfrüchte, Chili, Erdnüsse und Ingwer kombiniert. Die Zusammensetzung entspricht der Logik eines zusammengesetzten Salats, auch wenn das Gericht formal als Snack gilt.
Kung che nam pla
Rohe Garnelen, mariniert in Fischsoße und Limettensaft, werden wie ein Salat sofort serviert, basierend auf einem flüssigen Dressing. Gleichzeitig gehört das Gericht eindeutig in die Kategorie der rohen Meeresfrüchte, wodurch es eine Zwischenstellung einnimmt.
Fleischgerichte an der Grenze zum Salat
Nam tok
Gegrilltes, in Scheiben geschnittenes Fleisch, gerösteter und zerstoßener Klebreis, Kräuter und Chiliflocken bilden ein Ensemble, das den larb ähnelt, jedoch mit einem flüssigeren Dressing. Die Textur bleibt fleischtypisch, während die Aromatik stark an einen Salat erinnert.
Weinender Tiger
Ein Gericht aus intensiv mariniertem und gegrilltem Rindfleisch, dünn geschnitten und mit einem lebhaften Dressing sowie frischen Kräutern kombiniert. Seine Struktur ähnelt den gehackten Salaten, wird jedoch in der Praxis eher als Grillgericht wahrgenommen.
Ein Grenzbereich der thailändischen Küche
Diese Gerichte zeigen, dass der Begriff "Salat" in Thailand keine starre Kategorie darstellt. Einige Zubereitungen funktionieren aromatisch und strukturell wie Salate, gehören technisch oder kulturell jedoch zu anderen Bereichen. Diese kategorieübergreifende Fluidität ist ein prägendes Merkmal der thailändischen Küche.
Fokus. Weinender Tiger, zwischen Salat und Grillgericht
Der Weinende Tiger liegt exakt an dieser Grenze. Das Rindfleisch wird mariniert, gegrillt und dünn geschnitten, dann mit einem ausdrucksstarken Dressing aus Fischsoße, Limettensaft, Kokoszucker und Chiliflocken vermengt. Der zerstoßene geröstete Klebreis sorgt für eine rauchige Note, während Frühlingszwiebeln, Schalotten und langblättriger Koriander für die aromatische Frische verantwortlich sind. Das vollständige Rezept ist bereits auf unserem Blog verfügbar.
Thailändische Salate zu Hause zubereiten
Nach der Entdeckung der verschiedenen Familien thailändischer Salate, von den yam bis zu den sa, entsteht schnell der Wunsch, diese Gerichte auch selbst zuzubereiten. Trotz der enormen Vielfalt beruhen die meisten Salate auf einer klaren technischen Grundlage. Mit wenigen Zutaten und einfachen Regeln lassen sich bereits grosse Teile des Repertoires zu Hause nachkochen.
Chilis. Vier grundlegende Formen
Um die wichtigsten aromatischen Profile authentisch nachzubilden, genügen vier Chili-Formen:
frische Chilis (für yam und tam)
Chiliflocken (für larb und koi)
ganze getrocknete Chilis, je nach Rezept des Isan geröstet oder über der Flamme gegrillt
geröstete Chili-Paste (nam prik pao) für bestimmte yam und phla
Diese vier Formen decken den Grossteil der Anwendungen ab. Ausgenommen sind die spezifischen Pasten des Nordens, wie sie für die sa typisch sind und meist aus getrockneten Chilis hergestellt werden.
Kräuter. Wenige, aber präzise eingesetzt
Die thailändische Küche verwendet in Salaten relativ wenige Kräuter, doch jede Sorte erfüllt eine klare Funktion. Unverzichtbar sind:
Koriander
Frühlingszwiebeln
Minze
Zitronengras
Diese vier Elemente reichen für die Mehrheit der Salate aus. Blattsellerie, Kaffirlimettenblatt und langblättriger Koriander erweitern das aromatische Spektrum, werden jedoch in weniger Rezepten benötigt.
Drei grundlegende Würzmittel für die meisten Salate
Für die Zubereitung der meisten Salate genügt ein einfaches Trio:
Fischsoße
Limettensaft
Zucker, idealerweise Palm- oder Kokoszucker
Mit dieser Kombination lassen sich bereits die yam, ein Teil der tam, mehrere phla und verschiedene hybride Salate zubereiten. Regionale Besonderheiten, wie die Verwendung von pla ra im Isan, können je nach Bedarf ergänzt werden.
Gerösteter Klebreis. Das technische Element der larb und koi
Wer larb oder koi zu Hause zubereiten möchte, benötigt gerösteten und zerstoßenen Klebreis. Er lässt sich selbst herstellen, indem roher Klebreis trocken geröstet und anschließend grob zerkleinert wird. Die vollständige Methode ist in unseren Rezeptbüchern über Salate und über die Küche des Isan beschrieben. Sie findet sich ebenfalls auf unserem Blog.
Nützliche Trockenprodukte
Getrocknete Garnelen, leicht zu lagern und zu dosieren, eignen sich hervorragend für die Zubereitung sowohl der grünen Papayasalate als auch vieler yam mit grüner Mango. Sie gehören zu den vielseitigsten Zutaten der thailändischen Vorratshaltung.
Weiterführende Möglichkeiten
Auf unserem Blog finden Sie bereits zahlreiche thailändische Salatrezepte, frei zugänglich und repräsentativ für alle grossen Familien, von den yam bis zu den sa. Wer sich vertiefter mit diesem Thema befassen möchte, findet in unserem Salat-Kochbuch eine klar strukturierte Herangehensweise. Unsere regionalen Bücher, insbesondere jenes über die Küche des Isan, enthalten zudem viele traditionelle Varianten und bieten einen umfassenden Einblick in die kulinarische Vielfalt der Regionen Thailands. Für Reisende, die Thailand besuchen, bieten wir ausserdem Kochkurse auf Koh Samui an, in denen Sie diese Salate und viele weitere Gerichte direkt vor Ort zubereiten können.



Kommentare